Torsten Oltmanns: «Chefs wollen Print»

Wollen Chefs wirklich nur Print, wenn es um Kundenmagazine geht? Und wie entwickelt sich das Corporate Publishing in den Social Media weiter? Prof. Dr. Torsten Oltmanns von Roland Berger – und Dozent an der Text Akademie – über die Zukunft des Corporate Publishing.

Interview Ralph Kohler, 25.02.2014

Schweizerische Text Akademie: Herr Oltmanns, Ihr Unternehmen Roland Berger veröffentlicht zahlreiche Publikationen wie das «COO Insights» und die «think:act»-Reihe. Weshalb sind diese Magazine für Roland Berger wichtig?

Torsten Oltmanns: Wir produzieren im Jahr 150 bis 200 Bücher, unzählige Magazine und andere Publikationen. Manche fürchten schon, Roland Berger Strategy Consultants könne zu einem Verlag mit angeschlossener Beratung werden. Im Ernst: Unsere Anspruchsgruppen – Kunden und auch die Mitarbeiter – erwarten von uns, dass wir wichtige Trends aufspüren, Hintergründe analysieren, Methoden entwickeln und beschreiben. Und somit unsere Urteilsfähigkeit unter Beweis stellen. Für all diese Aufgaben sind Publikationen die richtige Plattform.

Schweizerische Text Akademie: Wie beurteilen Sie die Wirkung von CP-Produkten in der Corporate Communication generell?

Torsten Oltmanns: Viele Unternehmen sehen einen deutlich abnehmenden Grenznutzen jedes zusätzlichen Euros fürs Marketing. Bei der Kommunikation ist das anders: Hier gibt es nach wie vor viele Möglichkeiten im Bereich B2C. Die deutsche Handelskette Edeka zum Beispiel hat sich rund um den Slogan «Wir lieben Lebensmittel» völlig neu positioniert, und zwar zunächst fast ausschliesslich über kommunikative Massnahmen. CP ist dabei wichtig, wenn es um die hochwertigen Zielgruppen geht. Wir können zum Beispiel zeigen, dass die Mediennutzung nicht vom Alter abhängig ist, sondern von der Stellung in der Unternehmenshierarchie: Chefs wollen Print.

Schweizerische Text Akademie: Zu den wiederkehrenden Publikationen einer KMU gehört der Jahresbericht. Wie hat sich der Jahresbericht über die letzten zehn Jahre verändert?

Torsten Oltmanns: Die Professionalisierung hat in den vergangenen Jahren enorm zugenommen und viele KMU haben die Chance verstanden, viel mehr über sich zu erzählen. Mehr als nur den unmittelbaren Geschäftsverlauf. Auch die handwerkliche Qualität der Berichte ist beeindruckend: Viele Texte in heutigen Jahresberichten sind viel präziser geschrieben als noch vor zehn Jahren. Auch sind heutige Jahresberichte treffend illustriert und sehr solide gestaltet.

Schweizerische Text Akademie: Wie, denken Sie, werden sich die Printprodukte im CP weiterentwickeln?

Torsten Oltmanns: Die Produkte werden noch stärker zu Imageträgern und Markenbotschaftern. Ein Magazin auf dem Schreibtisch oder dem Coffee Table ist ein viel charakteristischeres Zeichen als eine App. Ausserdem ist es ein Statement: Print ist teurer. Das sagt einiges über die Ernsthaftigkeit und die Solidität des Absenders aus. Was den Florentinern Bildhauerei und Architektur war, ist den Unternehmen von heute Corporate Publishing.

Schweizerische Text Akademie: Welchen Einfluss wird der Kunde in der Zukunft durch CP-Produkte wie Magazine, Websites und Social Media auf ein Unternehmen haben?

Torsten Oltmanns: Keinen. Die Dialogkomponente wird immer weniger wichtig. Wegen anderer Techniken wie «Big Data» oder der individuellen Adressierung der Nutzer auf ihre Web-Oberfläche. Diese Techniken sind günstiger, genauer und schneller als die heute schon «alten» Dialogmöglichkeiten über CP-Kanäle.

Schweizerische Text Akademie: Wir werden immer wieder mit neuen Begriffen konfrontiert. Dazu zählt auch «Emotional Publishing». Handelt es sich hier um eine neue Erkenntnis – oder ist es bloss ein neues Fremdwort, das modisch klingt?

Torsten Oltmanns: Emotional Publishing gehört zum sogenannten Neuro-Publishing. Es will den Kunden über das Unbewusste ansprechen. Diese Idee ist nicht neu. Vance Packard hat sich das in den 50er-Jahren schon erträumt, das Neuro-Marketing hat diese Idee aufgewärmt. Natürlich muss ein CP-Produkt auch eine emotionale Beziehung zum Nutzer/Leser aufbauen. Aber gut gemachte Produkte tun das ohnehin schon. Es kann natürlich nicht schaden, sich diese Grundsätze nochmals vor Augen zu führen.

Prof. Dr. Torsten Oltmanns ist Partner / Director Global Marketing & Communications bei Roland Berger Strategy Consultants. Er hat mehrere Bücher zu den Themen Marketing und Change Management verfasst und ist für die mehrfach ausgezeichnete «think:act» Publikationsreihe von Roland Berger verantwortlich. Torsten Oltmanns lehrt zudem Marketing und Executive Communications an der Universität Innsbruck und doziert im Studiengang CAS Corporate Publisher an der Schweizerischen Text Akademie.

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